Maren Sturny ist dreifache Mutter, darunter ihr Diabetes-Typ-1-Kind Sarah-Léonie.

Interview Maren – pflegende Mutter & Autorin

Aus der Sicht einer pflegenden Mutter.

Maren Sturny ist dreifache Mutter, darunter ihr Diabetes-Typ-1-Kind Sarah-Léonie, im Buch mit ihrem Spitznamen „Nonie“ benannt, heute neun Jahre alt. Sie hat ein Buch geschrieben, mit Alltagseinblicken in die Zeit seit der Diagnose 2019 und setzt positive Impulse für das Diabetes-Typ-1-Management im Kreise der Familie.
Maren ist selbständig im Bereich Marketing-, Kommunikations- und Eventberatung und zudem seit Erscheinen des Buches auch als freie Autorin, Speakerin, Kolumnistin und Podcasterin tätig (https://www.marensturny.com/). Sie studierte in Bayreuth BWL, war dann für die Konzerne Unilever und Dräger im Bereich Marketing und Kommunikation tätig und lebt heute mit ihrer Patchworkfamilie in der Nähe von München.

Maren, wie ging es dir an dem Tag der Diagnose deiner Tochter?

Ich war vollkommen vor den Kopf gestoßen, als die Diagnose per Telefon kam. Ich habe sie auch gar nicht ernst genommen, nicht mal gegoogelt.
Ich war mir sehr sicher, dass es sich um einen Irrtum handelte. Deswegen war ich letztlich ganz ruhig. Es konnte nur ein Missverständnis gewesen sein.

Hattest du es schon geahnt?

Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet oder es geahnt und habe die Symptome auch gar nicht in Richtung Diabetes Typ 1 deuten können. Ich dachte bis zum Tag der Diagnose, das sei eine Erbkrankheit, mit der wir nichts zu tun haben. Denn niemand in unserer Familie hat Diabetes Typ 1.

Wie alt war deine Tochter bei der Diagnose?

Sie war gerade einmal 6 Jahre alt.

Was gab es für Symptome?

Als erstes kam die große Schlappheit. Vieles, was Sarah Leonie vorher Spaß gemacht hatte, wollte sie plötzlich nicht mehr tun: Kein Balletttraining, kein Fahrrad fahren. Sie war zudem kurz vor ihrem Seepferdchen-Abzeichen, aber konnte dann kaum noch 5 Meter weit schwimmen. Ich dachte, sie wäre einfach träge aufgrund der großen Hitze, vielleicht gepaart mit ein bisschen kindlicher Unlust und Erschöpfung so kurz vor Ende des Schuljahres. Auch den großen Durst schob ich auf die Hitze. Uns Eltern ging es ja nicht anders.
Dann fing sie an, sich übergeben zu müssen, aber ich dachte an einen klassischen, hartnäckigen Magen-Darm-Virus. Sie verlor stark an Gewicht, hatte aber schon seit ihrer Geburt immer wieder Phasen, in denen sie mehr aß und dann wieder sehr wenig und war von Anfang an der unteren Gewichtsgrenze gewesen, verglichen mit Gleichaltrigen. Deswegen war auch das für mich erstmal unbedenklich. Auch im Zusammenhang mit Hitze und Magen-Darm-Virus. Das Bild passte. Mundgeruch kam etwas später dazu, aber ich sagte nur: „Sarah-Léonie, putz dir bitte mal wieder so richtig gut die Zähne. Wenn du magst, helfe ich dir dabei.“
Sie hatte also die klassischen, aber mir in Bezug auf eine Manifestation von Diabetes Typ 1 bis zu dem Zeitpunkt unbekannten Symptome einer sogenannten Ketoazidose (der Zuckeranteil im Blut war über eine längere Zeit viel zu hoch), bis auf das häufige Urin lassen. Eine proaktive Aufklärung diesbezüglich hatte ich von keiner denkbaren Seite erhalten und auch mein Umfeld reagierte nicht alarmiert.

Wann hast du realisiert, dass etwas im Argen lag?

Sarah-Léonie war zu dem Zeitpunkt bei meinen Eltern, um sich von dem uns schlüssig erscheinenden Magen-Darm-Infekt zu erholen. Eigentlich war das Erbrechen auch schon vorbei, aber gleich nach der ersten Nacht schickte mir mein Vater morgens ein Foto von ihr und berichtete, dass sie sich in den frühen Morgenstunden wieder übergeben hatte. Ich sah das Bild, welches mich akut alarmierte, hörte meinem Vater zu und wusste sofort, dass das jetzt definitiv nicht mehr normal war. Ich schickte meine Eltern mit Sarah-Léonie auf kürzestem Wege in die örtliche Notaufnahme. Kurz darauf machte ich mich selbst auch auf den Weg zu meinen Eltern und meiner Tochter.

Was wünscht du dir als pflegende Mutter von der Gesellschaft / vom Staat?

Es gibt ja bereits Unterstützungsangebote, allerdings ist es zum Teil schwierig, diesen Dschungel ganz alleine zu verstehen und zu durchforsten. Beispielsweise die Verhinderungspflege, der Pflegegrad und Möglichkeiten im Rahmen der Bestimmung des Grades der Behinderung (GdB) sowie die entsprechenden Merkzeichen. Ich hatte Glück mit unserem Pflegeberater Herrn Oppel. Er erklärte uns das alles ganz in Ruhe. In der Klinik standen medizinische Themen rund um den Diabetesalltag und sein Management an sich im Vordergrund, sodass auf diese Bereiche initial nicht detailliert eingegangen wurde.
Ich wusste nicht genau, was uns alles zusteht und wo die Anträge gestellt werden müssen. Im Internet findet man zwar die notwendigen Informationen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das alles wirklich richtig mache oder ob vielleicht noch etwas fehlt. Zudem sagte die eine Quelle, dass bestimmte Einstufungen möglich seien, andere Quellen widersprachen dem allerdings. Internet eben. Und mein Kopf war sowieso schon so voll mit dem Diabetesmanagement an sich, das ja auch ganz neu für mich war, da erschienen mir diese Anträge und zu beachtenden Kriterien auch etwas kompliziert, was mich dann leicht überforderte. Ich glaube, viele scheitern genau an diesen Hürden.
Mittlerweile weiß ich auch, dass jedes Bundesland es anders regelt und man nicht überall die gleichen Chancen auf z.B. Pflegegrad 2 und einen Schwerbehindertenstatus mit Merkzeichen „H“ für „Hilflos“ hat, mit einem Diabetes Typ 1 Kind unter 10 Jahren. Wozu?
Ein chronisch und nach heutigem Stand der Wissenschaft unheilbar krankes Kind bedeutet rund um die Uhr Arbeit, niemand braucht da noch diesen Aufwand und Ärger mit den Behörden. Ich würde mir wünschen, dass es eine einfache und vor allem einheitliche Regelung gäbe, die für alle Diabetes Typ 1 Neuzugänge, klassifiziert, zum Beispiel nach Alter, automatisch gälte und auf einfachem, möglichst unbürokratischen Wege abrufbar wäre, ähnlich wie die Beantragung von Kindergeld nach der Geburt.

Wie kamst du auf die Idee, ein Buch zu schreiben?

Kurz nach der Diagnose kam die Pandemie und ich fiel in ein tiefes Loch. Ich suchte nach einem Sinn in dem Schicksal meiner Tochter, meiner Familie. Mir fiel es sehr schwer, die Diagnose und alles, was sie mit sich brachte, zu akzeptieren. Ich fing an zu recherchieren, zu lesen, zu verarbeiten, um aus diesem Loch wieder herauszukommen.
Schreiben hat mir schon immer gefallen. Mitte 2021, als ich wieder Boden unter meinen Füßen spürte, kam mir die Idee, einen kleinen, persönlichen Ratgeber für betroffene Familien über Diabetes Typ 1 im Alltag zu schreiben, um sie zu unterstützen. So einen, wie ich ihn mir selbst gewünscht hätte. Ich betreue die Autorin für Erziehungsratgeber Nicola Schmidt vom artgerecht-Projekt, die mich damals in meinem Vorhaben bestärkte. Sie fand, dass ich mir inzwischen ein beachtliches Fachwissen angeeignet hatte in Bezug auf Typ 1 Diabetes aufgrund meine eigenen Recherchen zu dem Thema. Und auch die von 2019 bis 2021 schrittweise erfolgte emotionale Verarbeitung der Diagnose hin zur Akzeptanz beschrieb sie als wertvoll, für andere Betroffene. Ich wollte anderen Eltern mit einfachen Worten und indem ich unseren Weg in die Akzeptanz mit ihnen teilte, helfen. Das Schreiben half auch mir selbst bei der weiteren Verarbeitung und so wurde aus dem kleinen Ratgeber ein richtiges Buch mit knapp 300 Seiten. Auch den Menschen im Umfeld von Typ 1 Familien wollte ich in einfacher Sprache etwas an die Hand geben, das ihnen hilft, zu verstehen, was hinter den Kulissen bei Typ 1 Diabetes Familien geschieht.

Was ist das Belastendste an eurem Alltag?

Der Alltag kann nicht mehr sicher geplant werden, denn der Diabetes durchkreuzt diese Pläne häufig. Und auch die Unbeschwertheit von früher gibt es nicht mehr, da man zum Beispiel nicht mehr einfach so essen, toben und wegfahren kann. Immer braucht man das Diabetesequipment, um den Blutzucker im Blick zu behalten und Insulin spritzen zu können. Und wenn wir zum Beispiel das Thema Essen an einem Tag gerade gemeistert haben, kommt eine sportliche Betätigung oder irgendetwas Aufregendes, was auch Auswirkungen auf den Blutzuckerwert haben kann. Oder es sind einfach mal Freunde da, man ist abgelenkt und dann büchsen die Werte aus. Dies wieder zu korrigieren, kostet Zeit und Nerven und es ist besser, sich dann auch voll darauf zu konzentrieren, sonst zieht man eventuell falsche Rückschlüsse und dann geht das Theater von vorne los. Außerdem arbeite ich regulär, wodurch ich manchmal auch einfach dadurch stark eingebunden bin und dann alles unter einen Hut zu bekommen, ist eine echte Herausforderung. Und Geschwister hat Sarah-Léonie ja auch noch.
Der Diabetes Typ 1 möchte am liebsten 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche aktiv gemanagt werden, vernachlässigt man ihn zu lange, kann einem das auf die Füße fallen. Die damit einhergehende Verantwortung hat mir gerade am Anfang stark zu schaffen gemacht. Hier eine gewisse Balance zu etablieren und den Schieberegler auch mal wieder zu sich zu regeln, das muss man erst lernen mit der Zeit. Das Wort „Feierabend“ war seit der Diabetesdiagnose quasi nicht mehr existent, auch eine Herausforderung. Derzeit wird es besser, gerade nachts, weil wir eine neue Insulinpumpe haben, die mit dem Sensor am Arm, der den Gewebezucker meine Tochter kontinuierlich misst, kommuniziert und selbständig gewisse Korrekturen bei der Insulinversorgung durchführt.
Mein Mann und ich versuchen, bewusst Entspannung in diesen neuen Alltag mit Diabetes einzubringen, auch einmal alle Fünf gerade sein zu lassen, denn das tut dem Gesamtgefüge „Familie“ und „Ehe“ so gut. So waren wir beispielsweise im Urlaub mit der Familie und ließen dort auch temporär höhere Blutzuckerwerte durchgehen, ohne in den Analysemodus abzudriften. Aber irgendwann kam auch im Urlaub der Punkt, an dem wir nicht mehr entspannt sein konnten, sondern verstehen wollten, warum der Zuckerspiegel entweder gar nicht mehr zum Sinken zu bewegen war oder nicht so richtig aus dem niedrigen Bereich hochklettern wollte. Immerhin kann ein akuter schwerer Unterzucker auch ernsthafte Konsequenzen haben, zum Beispiel in die Bewusstlosigkeit führen.

Gibt es etwas Positives, das du aus der Diagnose ziehen kannst? (Maren lacht)

Viele würden wahrscheinlich mit „nein“ antworten. Ich versuche, es so zu sehen: Wir verstehen die Abläufe im Körper jetzt viel besser in Zusammenhang mit unserer Ernährung und auch mit Bewegung. Die Herausforderung mit dem Diabetes lässt uns nicht mehr an Kleinigkeiten im Alltag verzweifeln. Ich glaube, wir sind stärker dadurch geworden und wissen den Zauber des Lebens mehr zu schätzen. Zudem ist die Diabetescommunity eine sehr wertschätzende und fürsorgliche Community mit viel Herz. Wir leiden, fluchen, kämpfen, gewinnen, feiern und lachen zusammen. Diese Community hätten wir ohne die Diagnose niemals kennengelernt.

Wie schwer war es, eine/n Diabetologen/Diabetologin für deine Tochter zu finden?

Das war in unserem Fall ganz einfach. Die Diagnose erfolgte in Niedersachsen und das dortige Ärzteteam hat dann Kontakt zu den Ärzten in Bayern aufgenommen, um Verfügbarkeiten zu eruieren. So sind wir im Klinikum „Dritter Orden“ gelandet und auch sehr zufrieden mit der Betreuung und Behandlung dort.
Dadurch, dass Sarah-Léonie vom Krankenhaus in Niedersachsen nach München, unserem Wohnort, verlegt werden musste, griff die professionelle Verzahnung der Krankenhäuser und die Ärzte arbeiteten Hand in Hand.

Was hat sich seit der Diagnose verändert?

Gefühlt hat sich alles verändert, das ganze Leben, der gesamte Alltag. Meine Selbstständigkeit habe ich seit 2019, mit der Diagnose, zurückgefahren und bin nicht, wie eigentlich geplant, beruflich durchgestartet. Auch heute arbeite ich noch flexibel, so wie es die Betreuung meiner Tochter gerade zulässt. Bei anderen sieht es, nachdem, was ich gehört habe, oft so aus, dass ein Elternteil komplett aus der Erwerbstätigkeit austritt oder zumindest nur noch Teilzeit arbeitet.
Außerdem haben wir noch 2 weitere Kinder, die bei uns wohnen und jetzt zum Teil zurückstecken müssen, wenn der Diabetes unsere Aufmerksamkeit fordert. Wir wollen aber natürlich auch auf die Geschwister voll eingehen und für sie da sein. Ein täglicher Spagat. Auch die romantische Beziehung zu meinem Mann hat sich verändert. Als wir nachts 6-10 mal rausmussten, um den Zuckerspiegel einzustellen, blieb einfach nicht mehr viel Energie und Zeit für Zweisamkeit. Das reguliert sich zum Glück durch die neue Insulinpumpe gerade wieder ein Stück.
Insgesamt wurde alles durchgerüttelt und musste sich erst neu finden.
 Sarah-Léonie war vor der Diagnose für ihr Alter schon sehr selbstständig. Sie ging nachmittags nach dem Kindergarten direkt alleine mit zu Freundinnen und übernachtete auch regelmäßig dort, flog alleine mit Flugbegleitung zu den Großeltern, verbrachte ungestörte Zeit mit ihren Schwestern, Cousinen und Cousins … das alles ging plötzlich nicht mehr. Inzwischen klappt das mit den Freundinnen wieder tagsüber, und, wenn alles gut läuft, können wir ihr auch eine Nacht auswärts wieder ermöglichen. Aber jemand von uns Erziehungsberechtigten muss immer in der Nähe sein, für den Fall, dass es zum Beispiel technische Probleme gibt oder der Katheter nicht mehr funktioniert, und auch die Eltern der Freundinnen sollten eine gewisse Ahnung von der Thematik haben. Alleine zu den Großeltern für ein paar Tage geht seit der Diagnose leider nicht mehr, dafür ist alleine schon das Katheter- und Insulinwechselmanagement zu komplex. Und Sarah-Léonie ist noch zu jung, um sich eigenständig um diese Dinge zu kümmern.

Wie hat deine Tochter die Diagnose aufgenommen?

Sie hat es eigentlich ganz cool aufgenommen. Was sie anfangs nicht verstanden hat, war, warum sie jetzt nicht mehr einfach so essen kann wie vorher, weil kohlenhydrathaltige Mahlzeiten und Snacks ja abgemessen und entsprechend mit einer Injektion von Insulin für einen stabilen Blutzuckerwert bedacht werden.
Das Bewusstsein dafür konnte sie natürlich erst schrittweise entwickeln. Außerdem ist es wichtig, ihren Blutzucker im Blick zu behalten, wenn sie sich zum Beispiel sportlich betätigt, und sei es nur eine Runde Trampolinspringen. Auch der Schulalltag ist komplex, da wir zwischen Brotzeiten, ungeplanten Geburtstagsmuffins, großen Pausen, dem Sportunterricht und Ausflügen hin und her jonglieren. Ihr kompletter Alltag hat sich verändert, aber sie meistert das großartig. Wir Eltern versuchen, ihr weiterhin eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen, wo auch immer es geht. Natürlich kam gerade am Anfang immer wieder die Frage von ihr, warum gerade sie diese Diagnose bekam. Inzwischen gehört der Diabetes zu ihr dazu, ist Teil von ihr, und als diesen umarmen wir ihn. Wir versuchen, ihr die positiven Seiten ihres neuen Alltags aufzuzeigen. Zum Beispiel durfte sie in der ersten Klasse schon ein Handy haben, sie darf kostenfrei U-Bahn fahren, anders Süßigkeiten essen als andere, auch mal zu Hause bleiben und nicht zur Schule gehen, wenn die Werte verrücktspielen. Wir empfinden den Diabetes von Sarah-Léonie nicht als Krankheit, sondern einfach als Diabetes, der sie nun durch ihr Leben begleitet. Auch wenn es eine Krankheit und zudem eine derzeit noch unheilbare ist, fühlt sich Sarah-Léonie auf diese Weise nicht krank durch ihren Diabetes und geht somit nicht krank durchs Leben, sondern kindlich vergnügt und bereit, ihr Leben in die Hand zu nehmen, mit allen Abenteuern, die auf sie warten.

Wie hast du sie über die Diagnose aufgeklärt?

Altersgerecht, Stück für Stück. Auch in der Klinik lief es sehr behutsam und kindgerecht. Außerdem gibt es gute und anschauliche Bücher, die uns geholfen haben. Somit hat sie schrittweise verstanden, dass bei ihr von nun an etwas anders ist als bei anderen Kindern. Außerdem haben wir sie psychologisch betreuen lassen, einfach um zu schauen, wie sie es „wirklich wegsteckt“. Dabei kam heraus, dass sie sich den Diabetes als Blume vorstellt, die immer ganz nah bei ihr ist. Da sieht man einmal mehr, wie anpassungsfähig Kinder doch sein können und wie flexibel, auch im Vergleich zu uns Erwachsenen, und wie wichtig es für sie ist, dass sie einfach im Hier und Jetzt glücklich sind. Der Diabetes spielt bei ihr da nur eine untergeordnete Rolle. Sie hat ihr neues Leben definitiv vor uns akzeptiert und wir konnten viel von ihr lernen.

Kanntest du dich vorher schon in dem Bereich Typ 1 Diabetes bei Kindern aus?

Nein. Gar nicht. Ich hatte keinen blassen Schimmer, weder bei Kindern noch bei Erwachsenen, und auch niemanden mit dieser Diagnose in meinem Bekanntenkreis.

Wie hast du dir dein ganzes Wissen angeeignet?

Ich legte mir einen Haufen empfohlener Bücher über Diabetes Typ 1 zu und las diese abschnittsweise. Sehr viel habe ich zudem selbstständig im Internet recherchiert und zusammengetragen, weil ich es in der Tiefe verstehen wollte – nächtelang. Außerdem gibt es 2 Diabetes Magazine, die ich direkt nach der Diagnose 2019 abonnierte. Auch unser Diabetesteam am „Dritten Orden“ hilft mir, wenn ich allein nicht weiterkomme. Den Diabetes und seine Auswirkungen auf das Leben, die Gesundheit und den Körper möglichst gut greifen zu können, war wichtig für mich, um in die Akzeptanz zu kommen und ihn als neues Familienmitglied zu akzeptieren.

Gibt es Unterstützung von der Krankenkasse?

Wir konnten mit Hilfe von Herrn Oppel den Pflegegrad 2 durchsetzen und nutzen die Verhinderungspflege im Alltag. Durch den Schwerbehindertenstatus und das Merkzeichen „H“ haben wir zudem steuerliche Vorteile. Hier wurde 2021 nachgebessert, was sich deutlich bemerkbar macht in der Einkommenssteuererklärung. Wir sind privatversichert und hatten glücklicherweise mit unserer Krankenkasse bisher nie Probleme mit der Bewilligung und Erstattung von Kosten rund um den Diabetes.

Hast du dich verändert seit du pflegende Mutter bist und wenn ja wie?

Natürlich. Ganz doll. Ich war immer ein Freigeist, bin es heute noch, nur habe ich seit 2019, bildlich gesprochen, diese Kette namens Diabetes am Bein. Ich kann nicht mehr so unbeschwert und spontan sein. Der Diabetes, mit all der Verantwortung, die wir Eltern dafür übernehmen, ist immer präsent. 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Selbst wenn wir hier bei uns 3 Erwachsene sind, die sich auskennen. Das musste ich erst einmal verarbeiten. Nach nunmehr drei Jahren fühlt sich dieser neue Alltag schon viel leichter an als am Anfang. Eine gewisse Routine spielt sich ein und man gewöhnt sich in gewisser Weise an die Komplexität. Ich würde sogar sagen, dass wir uns ein Stückchen Unbeschwertheit in neuem Gewand zurückerobert haben.
Seit wir vor ca. einem Jahr in die Akzeptanz kamen nach zwei Jahren Neujustierung, habe ich den Versuch gestartet, mich mit anderen auszutauschen, indem ich dafür das zu meiner Freude stetig wachsende Instagramaccount „Diabetesbluemchen“ ins Leben rief. Hier zeige ich Ausschnitte aus unserem Alltag, tausche mich mit anderen Eltern und Typ 1ern aus, verrate, wie wir gewisse Dinge meistern, versuche zu helfen und bekomme wertvollen Input von der Diabetescommunity.

Was hättest du gern vorher gewusst?

Wir sind leider komplett durchs Raster gefallen in Bezug auf Prävention und Aufklärung. Ich wusste nicht, dass man ein Neugeborenes darauf testen lassen kann, ob eine Veranlagung für einen Diabetes Typ 1 besteht. Und auch Kinder können im Verlauf ihrer Kindheit durch eine simple Blutabnahme auf eine Veranlagung zu Typ 1 Diabetes untersucht werden. Bei unseren Regeluntersuchungen beim Kinderarzt wurde das Thema Diabetes Typ 1 mit seinen möglichen Symptomen bei Manifestation sowie die Möglichkeit zur Testung einer Veranlagung bedauerlicherweise nicht angesprochen, obwohl es sich heutzutage um die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland handelt. 1 von 500 Kindern ist betroffen, Tendenz steigend.
Wenn ich von einer Veranlagung gewusst hätte, hätten wir mehr Zeit gehabt, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen und auch die Symptome frühzeitiger erkannt. Das hätte uns diesen unsanften Einstieg und die Intensivstation mit der Aussage der Ärzte „12 Stunden später hätten wir für Ihre Tochter nichts mehr tun können“ erspart. Zudem gibt es heute schon Programme für Kinder mit einer Veranlagung, durch die der Ausbruch des Diabetes hinausgezögert werden kann und irgendwann in Zukunft vielleicht sogar gänzlich verhindert werden kann. Um daran teilzunehmen, muss man natürlich aber erst einmal darüber informiert werden, dass es diese Testungsmöglichkeiten gibt.

Was war anfänglich das schwerste für dich bei der Diagnose deiner Tochter?

Das schwerste direkt nach der Diagnose war mir vorzustellen, dass meine Tochter jetzt ihr ganzes Leben damit verbringen muss, dass es nicht mehr weggehen würde. Ich stellte mir sie vor, wie sie sich mit ihrem Freund arrangieren würde, sah sie im Brautkleid mit einem Katheter und Insulinpumpe, fragte mich, was das wohl für ihre berufliche Laufbahn bedeuten würde und für eine eigene Familie.
Diese Unbeschwertheit, die wir vorher hatten, aufzugeben und zu realisieren, dass mein kleines Mädchen jetzt ganz schnell erwachsen werden würde und soviel Verantwortung für sich selbst tragen würde, so viel mehr als ihre Freundinnen und Schwestern, weil sie sonst nicht weiterleben kann, das war schon ein echtes Brett. Auf einmal war mein Kind auf dem Papier schwerbehindert und hatte fortan und auch heute noch ohne medizinische Betreuung, den Fortschritt der Wissenschaft und gespritztes Insulin keine Chance zu überleben. Diese eigenen, inneren Gedankenkreise waren anfangs schon oft dunkel und schwer. Warum wir? Warum gerade mein Kind? Gleichzeitig wollte ich ihr aber Hoffnung und Zuversicht vermitteln, sie positiv gestimmt mit auf dieses neue Lebensabenteuer nehmen. Das war die größte Herausforderung neben meiner eigenen Reise in die Akzeptanz.
Die Gesellschaft ist bis heute nur in kleinen Teilen aufgeklärt zum Thema Diabetes Typ 1. Kaum jemand, der nicht direkt betroffen ist, weiß richtig Bescheid, kann einschätzen, was diese Diagnose für den Alltag mit sich bringt. Und immer wieder kommt es zu Missverständnissen, Vorurteilen basierend auf diesem Unwissen und die Typen, vor allem 1 und 2, werden verwechselt. Auch deswegen habe ich das Buch geschrieben, und zwar in einfacher Sprache, als leichte Lektüre. Ich wünsche mir, dass das Thema präsenter in unserer Gesellschaft wird und vielleicht kann ich mit meinem Ratgeber ein bisschen dazu beitragen.

Maren’s Ratgeber „Rock around the Clock mit Diabetes Typ 1“ ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt. Das Buch ist für alle geschrieben, die mehr über das Thema Diabetes Typ 1 im Familienalltag erfahren möchten, egal, ob direkt betroffen, im Umfeld einer Typ 1 Familie oder einfach interessiert, um einen Einblick in die Thematik zu gewinnen. Wer es über Marens Homepage erwirbt, erhält zudem eine persönliche Widmung.

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